Bordeaux 2022
1 bis 30 (von insgesamt 119)
Bordeaux 2022 - Ein paar persönliche Zeilen am 09.05.2023
In diesem Jahr waren wir wieder für Sie vor Ort im Einsatz und haben uns ein Bild des bereits jetzt hoch gelobten Jahrgangs 2022 verschafft. Wir waren eine Woche im Bordeaux und haben viele Chateau direkt besucht, sowie einige Negociant und Appellationtastings absolviert. So haben wir wahrscheinlich einige hundert Weine verkostet, manche mehrfach und einige leider nicht, da es keine Termine mehr gab, das ist der Nachteil bei hoch gelobten Jahren, da kommen auch die „Schönwetterverkoster" aus den Löchern.
In der Tat handelt es sich um einen sehr interessanten Jahrgang. Bereits die ersten Proben verzauberten mich und liessen mich erstaunen. Wie konnten die Weine für ein so warmes Jahr nur so frisch und klar schmecken. Die Antwort auf diese Frage ist ein wenig komplexer, es liegt zum einen an den deutlich kühleren Nächten verglichen mit dem Hitzejahr 2003. Und die Reben haben sich anscheinend an die etwas wärmeren Jahre gewöhnt und sind widerstandsfähiger geworden. Im Jahrgang 2022 gab es 5 Hitzewellen, man spricht da von mehrenen Tagen am Stück die über 45 Grad am Tag hervorbrachten.
Aber auch der Winzer selbst ist seit dem Jahrgang 2003 ein ganzes Stück weiter, hier werden alle Kniffe genutzt, die verscheidenen Techniken in der Laubarbeit, Lesezeitpunkte, Tanninextraktion und auch der behutsamere Ausbau im Holz. Die Weine bekommen im Schnitt deutlich weniger neues Holz.
Und so ist es in Ansätzen zu erklären, wie man heute aus einem Hitzejahr frische und vitale Weine erzeugt.
Die Fachpresse hat ja zum Teil schon ihr Urteil veröffentlicht, es sind durchaus Weine dabei die eine perfekte Note erhoffen lassen. Für William Kelley (Parker / Wineadvocate) sind es 8 Weine die in der Range zwischen 97 und 100 Punkten liegen. Weitere 6 Weine haben das Potenzial bis 99 Punkte und weitere 4 eines bis 98 Punkte.
Auch James Suckling hat diesen Jahrgang mit 9 Weinen die bis zu 100 Punkten reichen als hochstehend eingestuft, er schreibt sogar, dass der Jahrgang 2022 für Ihn eine neue Benchmark darstellt, nach 40 Jahren Tastings, beginnend mit 1982 als bisherige Benchmark.
Ganze 35 Weine erhalten beim Falstaff Noten zwischen 98 und 100 Punkten.
Nun ja, einige Tastingberichte stehen noch aus, das Gespann aus Neal Martin und Antonio Galloni, Lisa Perrotti Brown, Jeb Dunnuck und auch der WInespectator lassen noch etwas auf sich warten.
Für mich persönlich ist dieser Jahrgang nicht konstant auf diesem ganz grossen Niveau, ohne Zweifel gibt es Weine die ganz ganz toll gelungen sind und wirklich keine unangenehme Schwere besitzen trotz teilweise 14,5 oder 15,00 Vol.% Alkohol. Aber macht dies schon einen grossen Jahrgang aus? Auch die Zeiten von plakativem Holzeinsatz scheinen vorbei zu sein, eine tolle neue Richtung die da eingeschlagen wurde in den letzten Jahren, keine Frage. Was mir in der Tat gefehlt hat bei meinen Verkostungen, sind diese anhaltenden Gänsehautmomente, wo jeder Wein eine ganz spannende und eigenen Charakteristik hat. Was mir auffiel, viele Weine aus ein und der selben Appellation schmeckten und rochen sehr ähnlich, wirkliche Ecken und Kanten an welchen man sich hätte reiben oder hangeln können fehlten mir ein bisschen. Vielleicht sind die ohne Zweifel vorhandenen Tannine auch unter dieser reichhaltigen Frucht und Frische so gut versteckt, dass man Sie erst in einigen Jahren wahrnehmen wird. Keine Frage, es gibt grossartige Weinqualitäten, aber ich bin noch etwas verhaltener in meiner Einschätzung zu diesem 2022iger Jahrgang. Was es auf jeden Fall auch fast nicht gab, sind Weine die für mein Empfinden handwerkliche Fehler oder unangenehme Geschmäcker aufwiesen, ich möchte fast sagen, dass alle probierten Weine anstandslos klar und sauber wirkten. So habe ich auch sehr oft Noten über 90 Punkte für die kleinen Weine gezogen, keine Frage auch dies ist ein klares Zeichen für ein ein tolles Jahr.
Kommen wir nun zu den Erwartungen welche auch immer an die Frage des Preises geknüpft sind. Ich glaube wir dürfen keine Preise wie 2019 erwarten. Im Gegenteil - es zeichnet sich nach den ersten Erscheinungen ab, dass wir mit mindestens 10% nicht selten 20 oder mehr % rechnen dürfen / müssen. Es ist also spanned, werden die Negociants kaufen? Ja solange die Banken oder Investoren mitspielen. Werden die Händler kaufen? Vielleicht….. Aber werden die Weinkonsumenten kaufen? Denn dafür wird ja eigentlich der Wein gemacht. Diese Frage können Sie viel besser beantworten. Mein Rat ist auf jeden Fall an Ihren Lieblingsweinen festzuhalten, denn dieser besondere Stil den der Jahrgang hervorgebracht hat, ist wirklich schwer mit vorherigen Jahren zu vergleichen, somit würde eine geschmackliche Lücke klaffen. Klassiker aus dem Medoc wie Sociando Mallet, Poujeaux, Chasse Spleen oder Cantemerle kann man kaufen und die Weine werden auch gut reifen. Gleiches gilt praktisch für alle Appellationen auf dem linken Ufer. Auf dem rechten Ufer sind die Schwankungen für mich etwas grösser ausgefallen. Gerade im Pomerol waren viele Weine fast floral-blumig und leichtfüssig unterwegs, bemerkenswert für dieses warme Jahr. Im Saint Emilion gab es eine schöne abwechslungsreiche Bandbreite an diversen Stilrichtungen, die Weine haben geschmacklich mehr Finesse und ein polierteres Tannin als noch in 2019 und 2020, es ist bei vielen Weinen also eine Frage des Stils, nicht der Qualität.