Wie ähnlich sind der Zinfandel und der Primitivo am Gaumen?
Apulien. In der zweiten Septemberhälfte wird im italienischen Ort San Marzano die wertvolle Ernte von Hand gelesen. Das ist nötig, weil es sich dabei um überreife Trauben handelt, die für die Herstellung des Sessantanni Primitivo di Manduria verwendet werden. Vorsichtig schneiden die Menschen die Trauben von alten knolligen, mindestens 60 Jahre alten Pflanzen. Aus ihnen entsteht einer der bekanntesten Weine des Landes.
Das Bild erinnert stark an unsere Zinfandel-Geschichte aus dem letzten Artikel. Und nicht umsonst, denn, wie bereits berichtet, handelt es sich wohl um zwei engverwandte Rebsorten.
Wie versprochen, verkoste ich zwei Weine: den Rancho Zabaco 2017 und den Sessantini 60er Primitivo di Manduria 2015, um die Ähnlichkeiten bzw. Differenzen festzustellen. Ich bin frei von Vorurteilen (das fällt einem Laien nicht schwer) und erlaube mir einen Vergleich zwischen zwei aus verschiedenen Kontinenten und Jahrgängen stammenden Weinen.
Verkostung
Ich lasse beide Weine zuerst eine Stunde atmen und schenke sie in zwei gleiche Rotweingläser. Temperatur 18 Celsius.
Farbe: Auf den ersten Blick verführen beide Weine das Auge mit dem gleichen dunklen Rubinrot. Mit einem weißen Blatt Papier im Hintergrund und im stark geneigten Glas scheint der Primitivo minimal dunkler zu sein – oder besser gesagt: etwas dichter. Man erkennt eine samtige noble Struktur.
Erste Nase: Beide Weine haben ein sehr fruchtiges Aroma. Allerdings scheint mir der di Manduria etwas komplexer zu sein. Deutlich unterscheidet sich der Europäer durch die erdige Note (Wurzeln, Erde, das Animalische). Bei dem Zabaco fehlt diese Note komplett.
Zweite Nase Primitivo di Manduria: Pflaumen, überreife Kirsche
Zweite Nase Zabaco: Schwarze Johannisbeere, Kirsche
Gaumen: Wenig Säure in beiden Weinen. Der Primitivo ist etwas weicher und mineralischer. Die Tannine im Italiener sind ausgewogener, eine Mandel-Note setzt sich leicht durch. Der Zabaco ist auf seine Weise auch sehr elegant mit leichten Tabak-Noten, etwas würzig.
Entwicklung nach zwei Stunden.
Der Zabaco überrascht mit einem fruchtigen komplexen Bukett. Der Primitivo di Manduria bleibt schwer, wird noch sanfter und ausgewogener.
Und was macht die dritte Flasche auf dem Bild?
Obwohl ich bei meiner Wahl von zwei Vergleichskandidaten stur geblieben bin, konnte ich die Stimmen aus der Profi-Reihe nicht ignorieren. Der Vergleich sei nicht ganz fair, da der Primitivo di Manduria in einer anderen Preisklasse als der Rancho Zabaco spielt.
Nun, so kam noch eine Flasche San Marzano Talo Primitivo di Manduria 2017 auf den Tisch. Der Wein hat für meine Begriffe mehr Ähnlichkeit mit dem Zabaco (Zinfandel) aufgewiesen als mit seinem Bruder aus gleicher Rebsorte. Ohne erdige Noten, dafür mit angenehmer Frische und ausgewogener Säure ist der Wein in seiner Preisklasse auf jeden Fall empfehlenswert.
Mein Laien-Fazit:
Bei dem Versuch, zwei eng verwandte Traubensorten (Zinfandel und Primitivo) in drei Weinen zu unterscheiden, konnte ich bei den Weinen des gleichen Jahrgangs nur einen gravierenden Unterschied erschmecken: Bei dem amerikanischen Zinfandel dominieren Tannine und würzige Noten. Bei dem italienischen Primitivo dagegen sind angenehme Säure und Frische zu betonen.
Der Sessantini 60er Primitivo di Manduria 2015 tanzt hier aus der Reihe mit edler Sanftheit und erdigen und mineralischen Noten.
Für den wenig erfahrenen Weintrinker wird es nicht immer einfach sein, den Wein aus der Zinfandel-Traube von einem Primitivo-Wein zu unterscheiden. Nicht umsonst sind die beiden Sorten eng verwandt.
Talo haben wir auch verkostet. Sehr lecker.