Mal vom Laien für Laien: Schon mal versucht, den Unterschied zwischen zwei Jahrgängen des „gleichen“ Weins zu erschmecken? Klar, sagen Sie, und es geht freilich. Oft tanzen die Unterschiede am Gaumen und in der Nase so wild, dass sie kein Mensch ignorieren könnte.

Es gibt aber unzählige weitere Kriterien, die die Vielfältigkeit der Weinwelt ausmachen. Diese sind manchmal so komplex, dass ich mich frage, wie weit ich mit dieser Leidenschaft (manch anderer sagt: mit diesem Wahnsinn) gehen will: Das mit der Hanglage oder den Bodeneigenschaften usw. ist nicht jedermanns Sache. Aber da wir schon bei solch schwierigen Themen sind und auf meinem Verkostungstisch drei Flaschen aus den Bodegas de Remelluri stehen, habe ich wohl keine andere Wahl und komme zwangsläufig zum Fachbegriff Terroirweine.

Terroir ist ein französischer Begriff und bedeutet im Weinkontext die im Charakter eines Weins ausgedrückte Gesamtheit von Faktoren wie Lage, Boden, Hangausrichtung usw. Das Weinland Frankreich liefert Abertausende Beispiele für Terroirweine. Heute reden wir aber von zwei spanischen Vertretern und darüber, was ein dritter Wein mit ihnen zu tun hat.

Terroirweine von Telmo Rodríguez

Telmo Rodríguez ist einer der bekanntesten Weinmacher Spaniens. Er kommt aus einer Winzerfamilie, studierte Weinbau in Bordeaux, hat viel Erfahrung in Frankreich gesammelt und ist in seinem Beruf sehr kreativ. Mit seinem Studienfreund Pablo Eguskiza gründete er Compañía de Vinos de la Granja und erkundete Weinanbauböden in ganz Spanien. Die beiden kauften viele Parzellen in unterschiedlichsten Regionen des Landes und arbeiteten mit einer Unmenge an Rebsorten. Im Jahr 1998 ging Telmo Rodríguez zurück in die Rioja, Heimat des Weines Rioja Reserva Granja Nuestra.

Rioja Reserva Granja Nuestra

Im Glas ist der Wein kirschrot mit Granatkante. Erdige Aromanoten vermischen sich mit Rosmarintönen und dunkler Frucht. Am Gaumen salzig-mineralisch. Die Säure ist gut spürbar, aber sehr angenehm. Die Tannine sind sehr gut eingebunden. Eine schwache Vanillenote bringt noch mehr Eleganz in diesen edlen Trank.

Die Trauben für diesen hervorragenden Reserva-Wein stammen aus zwei Quellen: den Dörfern La Bastida und San Vincente. Hier können wir also über keinen Terroirwein sprechen. Doch schon früh achtete Telmo auf die Geschmacks-Modalitäten, die auf diese zwei Terroirs zurückzuführen waren und den gleichen Wein immer unterschiedlich schmecken ließen. Das brachte ihn auf die Idee, zwei neue Weine auszubringen – diesmal pure Terroirweine. So konnten La Bastida und San Vincente ihre Terroir-Eigenschaften in eigenen Charakteren zum Ausdruck bringen. Hier kurze Verkostungsnotizen zu den beiden:

Lindes de Remelluri 2018 Viñedos de la Bastida

95 % Tempranillo, 5 % Garnacha Tinta. Farbe: dunkelrot mit violetten Reflexen. Die Nase: Zeder und Kräuter, crushed rock . Am Gaumen ist dieser Wein sehr elegant. Wie bei allen drei Rioja-Weinen ist auch bei Viñedos de la Bastida eine erdige Note stark präsent. Sehr fruchtig mit viel Charakter und gut ausgeprägter Mineralität. Die Kirschnoten dominieren. Schwarze bittere Schokolade begleitet den langen fruchtigen Abgang.

Viñedos de San Vincente 2018

95 % Tempranillo, 5 % Garnacha tinta Farbe: Kirschrot.
Nase: Gewürze und Brombeeren, Kirsche, Röstnoten und etwas Pflaume. Am Gaumen leicht mineralisch, seidig mit polierten Tanninen. Viel Frische mit balsamischen Noten. Dieser Wein ist etwas schüchterner als sein Bruder von Viñedos de la Bastida.

Die Unterschiede im Charakter dieser beiden Weine sind höchstwahrscheinlich den Terroir-Eigenschaften zuzuschreiben – der Winzer hat es mit seinem Experiment bewiesen: zwei Terroirweine – zwei kleine Welten.