Seidige Texturen und geschliffene Tannine, sehr flüssig und doch mit viel Charakter – das kann man von einigen Saint-Émilion-Weinen behaupten. Die Gemeinsamkeiten der drei unten beschriebenen Weine sind offensichtlich. Doch dabei ist jeder von ihnen ein Unikat in seiner Eigenart und seinem Ausdruck. Und wie immer stehen hinter jedem von diesen edlen Tropfen persönliche Geschichten, Erfahrungen und Philosophien.
Pierre Seillan. Château Lassègue
Der bekannte international tätige Winzer Pierre Seillan kehrte 2003 nach Frankreich zurück, als seine amerikanischen Partner das aus dem 17. Jahrhundert stammende Saint-Émilion-Gut Château Lassègue in Bordeaux erworben hatten. Um seine Mikro-Cru-Philosophie hier zu leben, ist Saint-Émilion beinahe ideal. Obwohl man generell die Gegend als stark kalkhaltig und vermischt mit Lehm charakterisiert, bietet sie dennoch eine Vielfalt an Bodentypen und Mikroklimata, die es Winzern ermöglichen, Weine mit unterschiedlichen Stilen und Charakteren zu erzeugen. „Ich bin ein Diener des Terroirs. Der reine Ausdruck eines jeden einzigartigen Ortes hat von Anfang an meine Mikro-Cru-Philosophie definiert”, sagt der Meister, Winzer in der sechsten Generation. Bereits als kleiner Junge hatte Pierre den Weinbau und Weinherstellung von seinen französischen Vorfahren gelernt, um sie später in Übersee zu perfektionieren. Die Flasche von Château Lassègue aus dem Jahr 2020 hat uns von seinen Winzer-Qualitäten überzeugt.
2020 Château Lassegue Saint-Émilion Grand Cru
Merlot 58 %, Cabernet Franc 32 %, Cabernet Sauvignon 10 %.
Die Nase ist würzig-frisch mit viel Cassis und Kirsche.
Am Gaumen ist der Wein verblüffend glatt und weich, doch trotzdem mit viel Charakter. Die vitalen, feinsinnigen Aromen des Cabernet Franc verschmelzen hier harmonisch mit der opulenten Intensität der alten Merlot-Reben und einer Nuance von Cabernet Sauvignon von subtiler Raffinesse und kraftvoller Eleganz. Ein langer aromatischer Abgang mit Cassis und Lakritz-Noten – ein hervorragender Saint-Émilion-Wein.
Er erinnert mich an einen weiteren Wein mit seidiger Struktur von Château de Pressac.
Der renommierte französische Winzer und Önologe, Hubert de Boüard de Laforest, ist besonders für seine Arbeit auf Château Angélus bekannt. Die Leitung des Châteaus übernahm er im Jahr 1985 und arbeitete hart daran, das Weingut zu modernisieren und seinen Ruf als Produzent von erstklassigen Bordeaux-Weinen weiter zu festigen – was ihm zweifellos gelungen ist. Aber nicht nur seine als 1er Grand Cru Classe (A) qualifizierten Weine von Château Angélus mit ihrer feinen, seidigen Struktur genießen internationale Anerkennung. Auch die Tropfen von Château de Pressac, wo Hubert de Boüard als Berater tätig ist, überzeugen mit Präzision und Finesse.
2016 Château de Pressac Saint-Emilion Grand Cru
Diese Cuvée beinhaltet fast alle für einen Bordeaux zugelassenen Rebsorten: Merlot, Cabernet Franc, Cabernet Sauvignon, Malbec und Carménère. Diese Komplexität konnten die Winzer unter Regie von Hubert de Boüard erfolgreich zügeln und produzierten einen sehr harmonischen Wein.
Nase: schwarze Kirsche, Brombeere, Cassis.
Gaumen: sehr präzise. Himbeere, etwas Orange und rote Kirsche. Wunderbare Mineralität, leichte Johannisbeere-Noten. Sehr weich und komplex, mit feinem, langem Abgang mit Noten der bitteren Schokolade. Eine sehr elegante Cuvée.
Der nächste Wein ist ein reiner Merlot und ein gutes Beispiel dafür, dass auch ein reinsortiger Bordeaux sehr komplex und elegant sein kann. Das Château Franc Mayne erlebte im Jahr 2018 einen Besitzerwechsel und führte in den letzten Jahren die Umstellung auf biologischen Anbau durch. Das ist vor allem die Aufgabe von Sophie Mage – einer Winzerin und Weinproduzentin aus der Region Cahors in Südwestfrankreich. Sie gilt als eine aufstrebende Persönlichkeit in der Welt des Weins und hat sich einen Namen aufgrund ihrer Arbeit gemacht.
Château Franc Mayne 2020
Merlot 100 %
Dass der Wein sehr rund am Gaumen ist, kann man anfangs kaum ahnen. Die Nase ist sehr aromatisch und frisch mit starker Dominanz der roten Frucht, etwas würzig.
Am Gaumen offenbart sich zerdrückte Himbeere mit Hauch Menthol, denen sich später Himbeere und Kirsche anschließen. Die Mineralität harmonisiert ausgeprägte Tannine auf eine sehr charmante Weise, sodass der Wein sehr weich und seidig klingt. Vielleicht braucht er noch etwas Zeit in der Flasche, um sich noch weiter zu öffnen. Er ist aber schon heute ein richtig toller Saint-Émilion.