Vor Kurzem erklärte mir ein von mir sehr geschätzter Weinfreund, dass er Rutherford gerne mit dem Pauillac vergleiche, als wir auf das Anbaugebiet nahe des San Francisco Bay zu sprechen kamen. Für ihn ist das Cabernet- Land wie es im Buche steht. Er argumentierte dies mit der Tatsache, dass annähernd zwei Drittel der über eineinhalb Tausend Hektar, die bestockt sind, mit der Cabernet Sauvignon– Rebe bepflanzt ist. Das letzte Drittel würde sich auf die üblichen, komplementären Sorten des Bordelais erteilen, gab er mir zu wissen. Mein erster Gedanke dazu war, dass der hiesige Cabernet es gar nicht so recht nötig hat von Merlot, Cabernet franc, Petit Verdot und sogar Carmenérè flankiert zu werden. Nicht hier, nicht in Rutherford. Denn hier wachsen Cabernets, wie man sie in Sachen Ausdrucksstärke, Fülle und Langlebigkeit nirgendwo sonst in Kalifornien vorfindet. Nicht zu Unrecht waren es die Weine aus Inglenook und Beauliueu, die durch imposante und alterungsfähige Weine den Ruf des gesamten Anbaugebietes begründeten. Alle signifikanten Lagen liegen auf auf der westlichen Seite des Tals. Zwar liegt an der Oberfläche tiefgründiges Schwemmland mit teils kiesigem und auch sandigem Boden, doch in den wirklich interessanten Lagen finden sich allerlei vulkanische Böden wie Quarz, Obsidian und auch Hornstein. Auf diesem tiefgründigen Boden, in dem die natürliche Drainage bestens funktioniert, gelingt der Anbau von ertragsärmeren und früher reifenden Sorten besonders gut. Wirklich typische Weine aus Rutherford begeistern im Glas mit einem Wesenszug, der die wirkliche Balance im Wein bringt, der einen hervorragenden von einem guten Wein unterscheidet: die Mineralität. Der sogenannte „Rushford-Staub“ steht als Synonym für eben genau diese mineralische Ader, die den vollen Charakter eines Rutherford Weins so sehr bereichert. Auf der Rutherford Bench hat sich nicht nur Star- Regisseur Francis Ford Coppola mit dem Rubicon bereits vor vielen Jahren den Traum eines eigenen Weingutes verwirklicht, auch die Eigentümer von Quintessa strandeten 1989 hier und sie sollten dieses Anwesen bis heute nicht mehr verlassen….
Das Weingut
Als Agustin und Valeria Huneeus 1989 zum ersten Mal die Landschaft betraten, die später Quintessa werden sollte, waren sie tief beeindruckt von der Schönheit der Natur und der einzigartigen Beschaffenheit dieses Landstriches. Der Napa River, der kleine Dragon’s See, die sanften Hügel, die Farben, aber vor allem die Tatsache, dass sie die Wärme, je nachdem wo sie standen, immer intensiv, aber doch mit fühlbaren Unterscheiden wahrnehmen konnten, führte sie schnell zu der Erkenntnis, dass dies der richtige Ort ist, um wahrlich guten Wein anzubauen. Sehr schnell entschieden sich dafür sich eben genau an diesem Ort niederzulassen und begannen damit, die Landschaft zu bestocken. Dabei überlegten sie natürlich genau welche der Rebsorten sie in der Ebene, welche auf den Hügeln und welche Rebsorte sie auf den eigens angelegten Terrassen ihrer Steillagen pflanzten. Just in time: Kurze Zeit später verbot der Gesetzgeber die Bepflanzung von Lagen mit über 30% Steigung. Auf dem Land, welches sie nun mit edlem Rebmaterial bepflanzen wollten, wuchs saftiges Gras auf dem Rinder zwischen Blaueichen grasten. Tatsächlich holzten sie beim Anlegen der Anlagen und beim Bau des Weingutes keinen einzigen Baum ab, schützen bestehende Sträucher und Gebüsche und integrierten sie in ihren Überlegungen, wie sie möglichst vom ersten Tag an biologisch arbeiten konnten.
Quintessa: Ein Puzzle aus vielen Einzellagen
Ein Blick aus der Vogelperspektive auf Quintessa lässt tief blicken. Es ist nicht nur ein eine Aneinanderreihung von Weinbergsagen mit alten Gemarkungsnamen. Vielmehr ist es ein Ort, der über seine Entstehung erzählt und ein reichhaltiges Angebot an Böden und Kleinklimata bereithält. Die östlichen Hänge bestehen weißer, vulkanischer Asche, die sich vor fünf Millionen Jahren zu dem prägenden Terroir geformt hat. Tatsächlich lässt sich dieser Boden bei der Verkostung der getrennt vinifizierten Parzellen ganz leicht herausschmecken. Es verleiht dem Wein ein sehr geschliffenes, feines Tannin. Durch eine sanfte Extraktion der Maische lässt das Team um Valeria und Agustin der ausgeprägten Aromatik den Vorrang. Rebekah Wineburg und Rodrigo Soto setzen hier auf Ätherik und Aromenintensität als dominante Schlagwörter. Gleichzeitig bringen die Weine von den östlichen Hängen dem Gaumen Mineralität, Vibrationen und Länge. In den mittleren Hügel findet sich die gleiche Asche, die sich hier aber mit sedimentierten vulkanischen Gesteinen vereint. Obsidian und Quartz funkeln zwischen der schweren Auflage um die Wette. Auf Quintessa entstehen hier die Weine mit der größten Beständigkeit an Tiefe, Frucht und Fülle. Sie sorgen für die Komplexität und den Schmelz. Im Westen sieht erkennt man die höchsten Lagen des Weingutes. Sie erheben sich auf bis zu 180 Meter über dem Boden. Roter, eisenreicher Boden verleiht dem späteren Wein die ganz typischen Eisen-, Blut- und Grafit- Noten. Die westlichsten Lagen grenzen an dem Napa. Fein säuberlich klein gemahlener Schlick vermählt sich hier mit Schotter. In kühlen und etwas feuchteren Jahren steht hier der Wein mit der besonderen Power…
Quintessa 2018: der Jahrgang in Worten
Als fast schon ideal im Witterungsverlauf beschreibt Rebekah Wineburg den Jahrgang 2018 auf Quintessa. Sie ist bereits seit Anfang an, also seit 1994, mit dabei und hat gemeinsam mit Rodrigo Soto den Werdegang von Quintessa wie keine Zweite mitverfolgen und auch mitgestalten können. Ein Jahr voller Komplexität, Eleganz und Harmonie. Während der vergangenen fünf sehr warmen Vegetationsphasen hatte das Quintessa- Team den Weinbergen größtmögliche Unterstützung und Begleitung geboten, in dem es biodynamische Präparate in den Weinbergen verteilte. So konnte den Rebstöcken die Last des Trockenstresses und die Belastung der Hitze auf die Abläufe genommen werden. In 2018 verlief alles deutlich gemäßigter. Das Ergebnis waren vor Kraft und Aroma strotzende Trauben von perfekter Reife und in bester gesundheitlicher Verfassung. Außerdem haben die Verantwortlichen auf Quintessa die Abläufe in den Betriebsräumen umgestellt und die Neuanschaffung von Zementtrögen für die alkoholische Gärung wurde umgesetzt. Durch die vielen positiven Eigenschaften des Zements ist es zudem gelungen die vielen kleinen Mikrovinifikationen zu einem noch deutlicheren und aussagestärkeren Abdruck der Landschaft zu ermöglichen, in dem Quintessa entsteht.
Quintessa 2018: Unsere Verkostung
Der 2018er Quintessa ist eine Vermähling aus 92% Cabernet Sauvignon und fast gleichen Teilen Merlot, Cabernet franc, Carmenere und Petit Verdot. Im Glas funkelt eine sehr dichte, dunkle Farbe, undurchsichtig, fast schon tintig. Frisch geöffnet und spontan ins Glas geschenkt, verströmt der Quintessa 2018 unmittelbar den Duft von knackiger und reifer Blaubeere. Brombeere, saftige Zwetschgen und rote Paprika erweitern das Duftbild, geschnittenes Gras, Dill schwarzer Assam- Tee, Eukalyptus und Graubrot füllen die Nase. Am Gaumen dann die volle Ladung schwarzer Johannisbeeren, Kaffee, Grafit, Erde, hinten versteckt sich etwas Eisen. Seidige Textur, vulkanische Mineralität, gemahlene Steine. Das markante Tannin ergibt sich aus der dominierenden Cabernet Sauvignon und dem 20monatigem Ausbau im kleinen Holz. Das ist ein ganz und gar nicht europäischer Wein, nein, ganz klar ist das ein Napa. Aber einer, der vor Charme fröhlich stimmt und berührt. Einer mit einer gesunden Genetik, mit abkühlenden Elementen, die ihn gut altern lassen werden.
Quintessa 2019: Napa in nahezu perfekter Abendrobe
Die Natur meinte es mit Quintessa sehr gut. Auch in2019! Sanfte und gut dosierte Regenfälle zur richtigen Zeit stellten den Starschuss für das Jahr 2019 dar. Niedrige Temperaturen mit langsamen Austrieb brachte der Mai, aus denen sich dann gesunde Fruchtansätze entwickelten, die schließlich zu einer guten Erntemenge führte. Das Jahr war geprägt durch beständiges, gutes Wetter und die zehn Tage mit knapp über 38 Grad ließ die Trauben rasch zur vollen und energetisch aufgeladenen Reife gelangen. Dank der vielen abkühlenden Quellen in den Weinbergen gelang es den Reben die Säure nicht zu veratmen. Das Leseteam von Quintessa erntete schließlich zwischen Ende September und Ende Oktober die kerngesunden Trauben. Parzellenweise und Lagenweise Fermentation in den in 2018 angeschafften Zementbehältern. In der Temperatur kontrolliert, in der Mazeration gemäßigt, entstand ein Wein von großer Eleganz mit subtilen Tanninen und lebendiger Säure.
Die Verkostung des Quintessa 2019
Die Cuveetierung des 2019ers ist annähernd gleich mit der des 2018ers. Lediglich der Ausbau fiel zwei Monate länger aus. Dieser Jahrgang ist in 60% neuen französischen Fässern ausgebaut worden. Während der 18er diese fast schon Cabernet-untypische Heidelbeer-Aroma aufwies, begeistert der 19er mit einer reifen, schwarzen Kirsche in der Nase. Dann auch hier die Cassis-Aromatik, getrockneter Thymian, Lorbeer, Muskatnuss, Lakritz, Esplette- Pfeffer, Mandel und Sandelholz. Alle Aromen sind klar definiert, wirken greifbar und klar definiert, nicht schwammig als Potpourri hingeklatscht. Das ist die ganz große Stärke der Quintessa- Weine. Kalifornien ja, Napa ja, aber fein, leuchtend, anregend, ätherisch, eigenständig und handwerklich bockstark umgesetzt. Am Gaumen dann reife Erdbeere, hier auch die typische Eisen- Aromatik, Cassis mit knackigem Biss, holländische Lakritz. Fulminant im Finish mit gutem Schub im Nachhall. Bleibt im direkten Vergleich etwas länger am Gaumen als der 2018er Quintessa. Wohl auch den etwas wärmeren Temperaturen ds Jahrgangs geschuldet. Wieder ein Quintessa zum Verlieben. Und die Liebe zu diesem Jahrgang kann viele Jahr andauern. Wenn sie nicht bereits jetzt so verführerisch schmecken würde!