Die Geschichte der Familie Allegrini
Seit dem 16. Jahrhundert bewirtschaftet die Familie Allegrini nunmehr Weinberge im Valpolicella Classico Gebiet. Von dem Örtchen Fumane leitet die Familie die Geschicke der vier Weingüter im Veneto und in der Toskana, die sie heute ihr Eigen nennen. Natürlich war die Vergangenheit von schweren und festen Traditionen geprägt. Auf diesem Wege entstand nicht nur Sicherheit, sondern auch Selbstbewusstsein und daraus wiederum Mut. Mut, um Abläufe und Traditionen zu hinterfragen und im Laufe der Zeit mit Bedacht zu entwickeln. Diese Aufgabe wurde Giovanni Allegrini zuteil, der sich vieler handwerklicher Dinge annahm und in seinen Abläufen veränderte. Wie etwa im Weinberg, bei der Ernte und auch im Keller beim Ausbau und der Lagerung. Seine Kinder taten es ihm gleich und hievten das Weingut auf ein noch höheres Niveau, in dem sie grundlegende Vinifikationsbereiche neu interpretierten und mit modernen Antworten versehen haben. Wenn man an Amarone denkt, muss natürlich schnell auf das Verfahren der Traubentrocknung zu sprechen kommen. Hier hat die letzte Generation viel nachgedacht und den Prozess durch ordentliche Investitionen stark verbessert. Das Resultat sind einfach ausgedrückt deutlich wertigere Trauben, aus denen sie dann eben auch wertigeren Wein machen können. Daraus entwickelte sich ein Stil, der auch für die gesamte Region ein Richtwert bedeutet: Elegante Weine in sanfter und schmeichelnder Robe, subtiler, angedeuteter Süße, mit seidigem und fruchtbetontem Verlauf.
Die Region
Auf den äußerst fruchtbaren Böden der Hügellandschaft um Verona, gedeihen die Reben derart üppig, dass die Vegetation kaum zu bändigen ist. Fluch und Segen zugleich! Nichts ist besser als ein Boden voller Mineralstoffe, die die Rebe über die ersten 30 cm ihres Wurzelwerkes aufnehmen können und auf diesem Wege dem Wein geschmacklich prägen und ihn durch das Erlebnis von Mineralität ausbalancieren können. Nichts ist allerdings so schlimm wie Rebanlagen, die in eine Überproduktion gehen und so Gefahr laufen ihr Potenzial zu verwässern. Während ein einfacher Valpolicella in Farbe und Aroma an eine Kirschsaft-Schorle erinnern, fallen die Weine aus dem Valpolicella Classico- Gebiet viel dichter und präziser aus. Besonders begehrt sind die Lagen an den Hängen und höheren Lagen in Fumane, San Ambrogio und Negrar. Hier findet man größtenteils Kiesterrassen, auf denen die Reben vertikal erzogen werden und eine sehr hohe Pflanzdichte aufweisen. Vor allem der qualitativ herausstechenden Rebsorte Corvina gefallen diese Standortmerkmale und sie kann auf diesem Wege richtig zeigen, was in ihr steckt. Historisch betrachtet haben die Winzer der Region durch das Trocknen der Trauben früher fast ausschließlich süßen Rotwein produziert, den Recioto. Irgendwann geschah es dann einem Winzer, dass ein Wein ihm im Keller trocken durchgärte und so zu einem „bitteren“ („amaro“), also trockenem Wein wurde. Einen durchschnittlichen von einem wirklich guten Amarone zu unterscheiden, braucht ein wenig Übung. Es ist das Spiel zwischen Süße und Kraft. Feine Süße von plumper Süße zu unterscheiden, fällt uns wahrlich nicht leicht, denn in unserer Genetik steckt eine große Sympathie für die Geschmacksrichtung und Sinnesreiz der Süße. Wir legen bei unseren Amarones und Ripassos großen Wert auf Balance, Eleganz und Trinkfluss. Weniger ist hier oft mehr. Eine denkbar schwierige Aufgabe sich für die richtigen Weine zu entscheiden, denn viele Weine halten ihr Versprechen einfach nicht. Die meisten können nicht die „verkopfte“ Strategie ihres Erschaffers umsetzen und reifen nur selten zu einem homogenen Wein heran. Entweder zu viel Süße, in der Relation zur Süße zu wenig Rückgrat oder zu wenig Gerbstoff und Säure für die Wucht des Körpers. Und dann gibt es den La Poja von Allegrini….
Reinsortiger Corvina
100% Corvina Veronense: Das ist eine Ansage! Trauen sich doch wenige Weingüter an die Interpretation dieser Rebsorte in Reinkultur. Sie benötigt im Weinberg die richtigen Impulse und eine angemessene Führung, um in ihrer späten Reife voll zur Entfaltung kommen zu können und ihren geschmacklichen Reichtum zum Ausdruck bringen zu können. Diese Rebsorte ist anspruchsvoll hinsichtlich des Standortes, erwartet viel vom Winzer und ist auch fordernd gegenüber dem Genießer. Bei ihr geht es auch immer um das lebendige Säurespiel, welches sich einen aufregenden Schlagabtausch mit dem festen Tannin und einer Fruchtaromatik mit Wiedererkennungswert liefert. Giovanni Allegrini legte den Weinberg bereits 1979 an. Er hatte es, wie es in früheren Zeiten sehr oft war, wohl im Gefühl, dass sich diese Rebe hier oben prächtig entwickeln wird. Viele Spitzenbetriebe verdanken ihren „Reichtum“ oft der Intuition der alten Generation.
Der Wein und seine Verkostung
Es war schon so was wie ein Geniestreich, als Giovanni Allegrini 1979 die höchste Parzelle hoch oben auf der Kuppe der Spitzenlage La Grola ausschließlich mit Corvina bestockte. Dort oben reift diese im Umgang sehr heikle Rebsorte in aller Ruhe aus und liefert das Traubenmaterial für diese italienischen Ikone. Der 2017 La Poja aus dem Hause Allegrini explodiert förmlich, sobald er aus der Flasche befreit wird uns im Glas ruht. Sein üppiges Duftbild ist spontan präsent, überschlägt sich regelrecht und verströmt von der ersten Sekunde an seinen betörenden Duft nach dunklen Beeren, dunkler Vollmilchschokolade und Zedernholz. Mit ein wenig Schwenken des Glases folgen richtig ansprechende Noten von feiner Vanille, Assam Tee und Szechuan- Pfeffer. Alles sehr gekonnt und vornehm miteinander verschmolzen. Mit jedem Schwenken des Glases übernimmt ein anderes Aroma die Kopfnote. Am Gaumen dann der so typische Allegrini- Antritt: weich, rund und harmonisch. Interessant ist die Tatsache, dass hier nicht das Tannin das Sagen hat, nein, das hält sich fast schon etwas schüchtern zurück und überlässt der sublimen Säure das Geschehen. Sie lockert das Geschehen mit einem Augenzwinkern und lädt zum beschwingten Reigentanz auf. Der Wein endet mit einem unangestrengtem, angedeutetem und sanften Bitterton, der im Grunde lediglich die nächste Runde, den nächsten Schluck einläutet. Nach einem guten Glas vom La Poja komme ich etwas ins Grübeln. Es ist die unbekümmerte Art dieses Weines die Messlatte in dieser namhaften Region ganz weit hoch zu legen. So einfach geht das. Wunderschön.