Als Verfasser von Blogbeiträgen wird man immer wieder überrascht. Zu meiner Schande muss ich zugeben, dass ich bis vor ein paar Wochen noch nicht mit dem Caiarossa, dem „roten Kies“, zu tun hatte. Ja, ein oder zwei Verkostungsschlücke, den ein oder anderen ordentlichen Schluck aus vollen Gläsern, aber wer die Personen dahinter sind und dass sich das Weingut so konsequent mit der konsequentesten aller biologischen Bewirtschaftungsarten, der biodynamischen Landwirtschaft, beschäftigt, lag für mich bisher im Verborgenen.

Die Geschichte des Weingutes begann 1998. Auf Caiarossa wurden vom ersten Tag an bei der Bewirtschaftung der Weinberge die Prinzipien der biologisch-dynamischen Landwirtschaft angewandt. Bei der Gestaltung der Weinkellerei machten sich die Architekten die Prinzipien der Geodynamik zu Nutze und folgten auch der Lehre des Feng Shui. Richtig Fahrt und den finalen Schub in Richtung hochwertigen Spitzenwein erhielt das Weingut dann 2004 mit der Übernahme von Eric Albada Jelgersma. Einige von ihnen werden den Namen mit den bekannten bordelaiser Grands Crus Classés Château Giscours und Château du Tertre in Verbindung bringen. Und genau dieser Eric Albada Jelgersma war es, der französisches Winzer-Know-how auf Caiarossa brachte und sich den Traum einer naturnahen Weinproduktion in der Toskana erfüllte.

Heimat des Caiarossa: die Toskana

Ort der Entstehung des Caiarossa ist die Ortschaft Riparbella, dem kleinen Städtchen mittelalterlichen Ursprungs, ganz im Süden der Provinz Siena gelegen. An den südlichen Hängen des Poggio di Nocolo gelegen, erahnt der Besucher, wenn er Pisa und Livorno hinter sich gelassen hat, am Horizont bereits Bolgheri, der Herkunft vieler so bekannter italienischer Top- Weine. Weit weg von den touristischen Hotspots, abseits der die Toskana verbindenden Autobahn FiPiLi (Firenze-Pisa-Livorno), eine fast noch schlafende, aber zumindest weites gehend unentdeckte Ecke der Toskana. Von hier aus befindet sich das tyrrhenische Meer nur wenige Fahrminuten entfernt. In dieser Gegend kommen Naturfreunde besonders auf ihre Kosten: Naturschutzgebiete, Wasserläufe, Felswände zum Klettern und verlassene Bergwerksstollen zum Durchwandern laden zum Entdecken ein. Und dennoch allgegenwärtig das, was gerade wir in Deutschland so sehr in unser Herz geschlossen haben: Hügel, Zypressen, Wälder, das Meer. Und natürlich Weinberge!

Das Weingut

Weinmacher müsste man sein! Denn dann gäbe es ganz außergewöhnliche Arbeitsplätze, auf die man sich bewerben könnte. Einer davon ist sicher hier auf Caiarossa. Architektur und Philosophie, Geodynamik und Fengshui, Form und Farbe, Materialien und Ausrichtung: alles, was auf Caiarossa zu sehen, zu tasten oder zu begehen ist, ist nicht per Zufall entstanden. Alle wohl überlegt, alles im Fluss, alle Abläufe gehen ineinander über. Die Weinbereitung mittels Schwerkraft: sinnvoll, effizient, schonend, qualitätsfördernd. Hier muss nichts gepumpt, gequetscht oder gequält werden. Das Äußere der Kellerei, das Herzstück der Produktion, ist tiefrot, was nicht nur an die Farbe des Bodens erinnert, sondern auch ein Symbol für Kraft, Leidenschaft und Konzentration ist. Die großen Fenster an den Seiten des Gebäudes lassen die Sonnenstrahlen von der Morgendämmerung bis zur Abenddämmerung eindringen und spenden natürliches Licht, welches von der gelben Farbe der Wände verstärkt wird. Der Eingang befindet sich an der höchsten Stelle, im Osten, zum Sonnenaufgang hin, und öffnet sich mit einem großen Balkon, der die darunter liegenden Ebenen zeigt. Die verwendeten Materialien sind so weit wie möglich natürlich, angefangen beim Holzgewölbe bis hin zu den zahlreichen Zement- und Holzbottichen für die Weinherstellung. Temperatur und Feuchtigkeit werden ständig überwacht, um eine perfekte Reifung des Holzes zu ermöglichen. Die natürliche Belüftung wird außerdem durch ein System von Öffnungen gewährleistet, die mit der Außenwelt und dem an den Keller angrenzenden Wald verbunden sind. Caiarossa: ein ganz besonderer Ort in vielerlei Hinsicht!

Von süßem Most zu Wein: Die Weinherstellung

Auf Caiarossa beginnt die Ernte für gewöhnlich in der zweiten Augusthälfte. Die Trauben der hier angebauten Rebsorten Cabernet Franc, Merlot, Cabernet Sauvignon, Petit Verdot, Sangiovese, Syrah und Alicante werden ausschließlich von Hand in kleinen Kisten zu 15 kg geerntet. Parzelle für Parzelle, Lage für Lage und von Stock zu Stock wird abgewogen welche Trauben geerntet werden.

Die Trauben kommen in den Keller, wo sie vor und nach dem Abbeeren sorgfältig von Hand selektiert werden. Die Beeren kommen direkt in die Beton- und Holztanks in den beiden unteren Etagen, wobei die Schwerkraft genutzt wird, ohne dass mechanische Pumpen erforderlich wird.     Die Weinbereitung erfolgt immer getrennt nach Rebsorte und Weinbergsparzelle, aus der sie stammt. Nach den Prozessen der alkoholischen Gärung, der Mazeration und der malolaktischen Gärung, die etwa zwei Monate dauern, werden die Weine, wiederum durch die Schwerkraft, in kleine, mittlere oder große Fässer umgefüllt, die sich unterirdisch im Barriquekeller befinden. Beide Gärungen, die alkoholische und die malolaktische, werden dank der einheimischen Hefen und Bakterien spontan in Gang gesetzt. Im Barriquekeller reifen die Weine über einen Zeitraum, der je nach Rebsorte und Wein, aus dem sie gekeltert werden, variiert. Es vergehen 12 bis 24 Monate bis sie dann final verkostet und zur Cuveetierung freigegeben werden. Ein weiteres Jahr darf sich der Wein dann in Zementtanks ausruhen, ehe er abgefüllt wird.

Die Verkostung

Nach der Verkostung des 2019er Caiarossa habe ich oft an diesen Wein zurückdenken müssen. Nicht allzu oft beende ich meine Verkostungsnotizen mit dem Wort „stark!“! Was mir besonders gut gefallen hat, nein, was mir imponiert hat, war seine innere Ruhe, die der Wein gezeigt und ausgestrahlt hat. Ein Wein der eindrücklichen Worte, aber dennoch auch der leisen Töne. Frisch geöffnet und direkt ins Glas, ohne zu dekantieren, ohne Vorwarnzeit und ohne jegliche Zeit des Anlaufnehmens. Spontan einsetzender Duft von reifen Himbeeren, Erdbeere und Lavendel. Erinnert an Grillaromen, Rauch, getrockneten Kräutern wie Thymian. Dazu frische Dill- Noten. Heller Tabak, Lorbeer, Karamell, Muskatnuss, Zeder und Jus. Das Duftbild des 2019 Caiarossa ist von irritierender Vielschichtigkeit und Abwechslung. Alle Aromen sind greifbar, nicht aufdringlich oder gar konzentriert dargestellt. Das ist ganz feines und wertvolles Handwerk. Im Mund beginnt der Caiarossa weich und mit zartem Schmelz. Steinig, voller Beerenaromen, fließend in seinem Zuschnitt. Erinnert an gemahlene Steine. Die Säure begleitet, die Säure wässert sogar den Gaumen. Imposante Struktur mit ausgeprägtem Tannin. Dieses ist feinkörnig, engmaschig und von traumhafter Qualität. Mit einem ätherischen Finish und seinem aromatischen Nachhall endet dieses Erlebnis der besonderen Art. Der Caiarossa unterstreicht seine ganz besondere Herkunft durch Noblesse und Individualität. Einfach stark!