Die Römer waren es! Die alten Römer hatten Großes vor und sie waren ehrgeizig. Ehrgeizig, ausdauernd und in der Folge auch sehr durstig. Kampf um Kampf, Schlacht um Schlacht wuchs das Imperium Romanum stetig an. Wer viel läuft und viele Gräueltaten verübt, der braucht auch Alkohol, um seinen Durst zu stillen und seine Erinnerungen zu löschen. Und so brachten die alten Römer nicht nur Aquädukte, die Wohnkultur und andere Dinge des modernen Lebens mit in ihre Kolonien, sie hatten auch den Rebstock mit im Gepäck. Es war nur eine Frage der Zeit bis auch das heutige Spanien eingenommen wurde. Und so verging auch nicht viel Zeit bis sich beispielsweise die Stadt Tarragona, im Nordosten des Landes südlich von Barcelona, neben Venedig zu einem der wichtigsten Umschlagsplätze für Wein im römischen Reich entwickelte. Die Römer mussten schon sehr bald erkennen, dass die spanische Landschaft in ihren unterschiedlichen Regionen, große Unterschiede hinsichtlich der Beschaffenheit und der Topografie aufwies. Jedoch blieben sie am Ball und legten den Grundstein für eine Weinbaunation, die wir uns nicht mehr aus der Vielfalt der unterschiedlichen Weine der Gegenwart wegdenken können.
Was die Römer erschufen, verdrängten die Goten und auch die Mauren und natürlich war es der christliche Einfluss, der im 12. Jahrhundert im Zuge der Reconquista, die Neuzeit der spanischen Weingeschichte einläutete. Die nachrückenden Mönche, die sich in Klöstern entlang des Ebros und es Dueros niederließen, hatten den Dreh raus und brachten die Felder mit Reben und Weizen zum Blühen. Es waren in erster Linie die Zisterziensermönche, die aus dem Burgund kommend eine geballte Ladung Know-how mitbrachten und damit vor allem auch die völlig verwüstete Hochebene der La Mancha wieder aufgepeppelt und ihr neues Leben einhauchten.
Eine regelrechte Achse des spanischen Weinbaus entwickelte dich entlang des Jakobsweges nach Santiago de Compostella. Schnell dehnte sich der Weinbau nach Westen aus, erreichte das Bierzo und bedeckten die Ufer des Sil im heutigen Galizien. Einige Varianten der Vitis Vinifera, der europäischen Edelrebe, wie die Garnacha, die Monastrell und die Carinena, fand auf diesem Wege ihren Weg ins mittelalterliche Spanien.
Im 15. Jahrhundert brach die große Zeit des Sherrys an. Im 16. Jahrhundert, als das goldene Zeitalter Spaniens begann, wurden die vino generoso, die mit Alkohol verstärkten Weine, wie der Málaga, zu einem Bestseller. Im 18. Jahrhundert reisten Engländer, Iren, Flamen und Franzosen ein, ließen sich im Sherrygebiet nieder und gründeten viele der berühmten Häuser mit den klangvollen Namen, die teilweise bis heute noch dort Wein produzieren.
Der Weg in die Moderne begann für das Weinland Spanien mit einer internationalen Katastrophe: der Reblaus. Ein Parasit, der im Zuge der sehr lebendigen Exportgeschäfte der Franzosen, aus den USA mitgebracht wurde und im Grunde in unseren Breitengraden bis heute nicht ausgerottet ist. Dieses kleine Mistvieh brachte vor allem einen sehr ausgeprägten Appetit aus seiner Heimat mit und schnell erkannte man, dass seine Leibspeise die Wurzel der europäischen Edelrebe ist. Innerhalb weniger Jahre fraß sich die Reblaus von Bordeaux im Westen Frankreichs einmal quer rüber in den Osten, nahm sich dann Deutschland und Österreich vor und auf Italien hatte die Reblaus auch noch große Lust. In Spanien kam sie sehr spät an. Viele Höhenlagen und die vielen sandigen Böden machten es ihr schwer.
Die Franzosen hatten ein riesiges Problem. Kein Rebstock hatte überlebt. Die gesamte Weinwirtschaft lag am Boden. Kein Wein zum Trinken, kein Wein zum Versekten, keinen zum Destillieren. Was also tun? Die Franzosen schwirrten aus und begaben sich auf die Suche nach Lieferanten, die diese Lücken mehr oder weniger gekonnt aber vor allem schnell schließen konnten. Eines der ersten Anbaugebiete, auf das die Franzosen stießen, war die Rioja. Der dort ansässige Lopez de Heredia vom gleichnamigen Kult-Weingut, war erst wenige Jahre zuvor auf „Bildungsreisen“ in Frankreich unterwegs, lernte das kleine Holzfass, das Barrique, kennen und „importierte“ diese Idee in seine Heimat Haro in der Rioja. Das war der Grundstein für den modernen spanischen Weinbau, wie wir ihn heute kennen. Und die Keimzelle war die Rioja mit ihrem Epizentrum, der Ortschaft Haro. Im Barrio de la Estacion, dem Bahnhofsviertel, stehen sie bis heute noch, die altehrwürdigen Weingüter wie Lopez de Heredia, Muga, La Rioja Alta und Gómez Cruzado. Pragmatisch waren die Herren damals natürlich auch: Da die feinen Weine in möglichst großen Mengen zur französischen Grenze abtransportiert werden mussten, ließ man riesige Holzfässer anfertigen und es entstand die erste Bahnlinie ins Ausland. Die Schienen endeten direkt in den Lagerhallen der Weingüter!
Zu dieser Zeit stand die spanische Weinwirtschaft auf ihrem Zenit. 1850 füllte die Kellerei González Byass mit seinem Tio Pepe den ersten kommerziellen Flaschenwein Spaniens ab, Josep Raventos stellte nach dem Vorbild des berühmten französischen Schaumweines seienen ersten Cava her und insgesamt verbuchte das Land sagenhafte 11 Millionen hl (sic!) Wein, die in den Export gingen.
Die Reblaus setzte diesem Höhenflug ein Ende. Nach der Reblaus veränderte sich auch der Rebsortenspiegel Spaniens. Während bei den Roten die Bobal und der Garnacha die von nun an die Hauptrolle spielten, war es bei den Weißen die Airen und die Palomino. Bis heute ist die Rebsorte Airen, obwohl sie ausschließlich in Spanien und eigentlich nur in der La Mancha angebaut wird, die meist angebaute Rebsorte der Welt! Stellen sie sie mal die Dimensionen vor….
In den 70er Jahren dann die schwere Zeit und die die Grauen des Bürgerkrieges. General Franco wollte sein Land durch Abschottung autark werden lassen, in Wahrheit ließ er es ausbluten und verhungern. Auf der Suche nach Arbeit verließen die Menschen scharenweise ihre Dörfer, ließen Häuser und Land zurück. Die Reben bewirtschaftete man in vielen Regionen gar nicht mehr, denn sie brachten nicht mal mehr in den aufkommenden Genossenschaften genug, um die investierte Arbeitszeit zu entlohnen.
Und doch trat 1970 ein neues Weingesetz in Spanien in Kraft. Erstmals wurde in Statuten Qualität genau definiert. Die Idee dahinter sah vor die Qualität der Weine über die Reifezeit in Fass und Flasche zu auszudrücken. Es war die Geburtsstunde der Begriffe Crianza, Reserva und Gran Reserva. Eigentlich eine pfiffige Idee, wenn man auch die Qualität der Weine, die man in Fässern und Flaschen gelagert hat, streng definiert hätte. Der Qualität konnte man also über die produzierte Menge ein Schnippchen schlagen. Schade eigentlich…
Durch das Ende der Diktatur und dem Beitritt Spaniens in die europäische Gemeinschaft im Jahre 1986 kam der schlafende Riese langsam in Bewegung. Einer der Qualitäts-Pioniere: Miguel Torres. Er löste eine regelrechte Modernisierungswelle aus und es entstehen viele neue Anbaugebiete, die DOs. Und dann ging alles furchtbar schnell. Die Spanier genossen ihren eigenen Wein selbst, brauchten aber auch welchen, um auf die rasant schnell ansteigenden Exporte anzustoßen und sich des neuen „Wohlstandes“ zu erfreuen. Plötzlich gab es nicht nur die Rioja, auch die Ribera del Duero wurde nicht zuletzt durch Alejandro Fernandez von Tinto Pesquera ein Begriff. Mitte der 90er Jahre dann die Revolution im Priorat um Alvaro Palacios, Professor Perez und René Barbier. Der junge Telmo Rodriguez wurde aufmüpfig und begann deine eigenen Projekte, der Däne Peter Sissek kreiert hochdekorierte Weine und Mariano Garcia verlässt das altehrwürdige Weingut Vega Sicilia. Welch unfassbare Dynamik!
Im Jahre 2003 tritt dann endlich ein neues Weingesetz in Kraft. Längst hatte man erkannt, dass auch in Spanien großer Wein aus besonders wertvollen Lagen entspringt, und so wurde eine neue Qualitätsstufe geschaffen, den vino de pago, den Lagenwein.
Heute ist spanischer Wein leicht zu erkennen. Im Regal fallen sie optisch durch das meist sehr wertige Erscheinungsbild auf, geschmacklich sind sie durch eine immer wieder anzutreffende Fruchtintensität leicht zu „erschmecken“, die Gaumen und Sinne schmeichelt. Das liegt vor allem an dem überdurchschnittlich hohen Alter der Reben und den daraus resultierenden geringen Erträgen. Tatsächlich ist es auch so, dass Italien und auch Frankreich um einiges mehr produzieren, obwohl sie deutlich weniger Rebfläche besitzen! Kaum ein Land hat einen solch rasanten Aufstieg in so kurzer Zeit hingelegt, wie Spanien in den letzten zwanzig Jahren. Die Qualität der Weine ist in der Breite gesehen sehr hoch. Die Vielfalt ist so groß, wie das Land selbst. Kaum wegzudenken sind die Weine aus ambitionierten Weinkarten der Gastronomie, Privatkellern und Regalen des Fachhandels. Und das völlig zu Recht. Denn spanischer Wein bietet einfach unheimlich viel Gegenwert für seinen Preis. Ob einfacher Wein für den unkomplizierten Genuss, raffiniert- eleganter Wein für die besonderen Momente oder durchtrainierte Muskelpakete für die Blindverkostung unter Weinfreunden: Bei spanischem Wein ist Musik drin!
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