Verehrter Leser, schön, dass sie sich auch für diesen Blogbeitrag über die „vergessene“ Appellation des Bordelais, dem Fronsac, interessieren und wieder mitlesen!
Nachdem ich ihnen mit dem Clos du Roy ein von Philippe Hermouet privat geführtes Chateau vorgestellt habe, wechseln wir in diesem Beitrag mal die Perspektive und die Philosophie des Weinmachens. Heute geht es um das Chateau Fontenil.
Zur Erinnerung: wir halten uns in der „Schatzkiste“ des Bordelais auf, dem Fronsac. In dieser Appellation tut sich eine ganze Menge. Die hier ansässigen Produzenten drehen ganz gehörig an der Qualitätsschraube und machen gehörige Schritte nach vorn. Doch strenggenommen, machen sie keine Schritte nach vorne, viel eher ist es eine Rückkehr zu altem Ruhm, eine Wiederherstellung von Ansehen, welches den Weinen aus dem Fronsac noch vor einhundert Jahren entgegengebracht wurde. Auch wenn es kaum zu glauben ist, aber es gab Zeiten, da war das Pomerol noch der Gemüseacker der reichen Grundbesitzer des Bordelais. Die Böden, auf dem heute der legendäre Chateau Petrus wächst, war noch längst nicht mit Reben bestockt und das ehrwürdige Cheval blanc war eine Raststätte für Pferdekutschen und deren Lenker.
Um es zu einer Trendwende, einer Rückbesinnung oder einer Qualitätsrevolution in einer Weinbauregion kommen zu lassen, braucht es immer einzelne Personen, Pioniere, Vordenker und Andersmacher. Leute, die das Potenzial erkennen und ausschöpfen können. Das „Grundkapital Boden“ hegen und pflegen, Geld in Infrastruktur und Zeit in die Steigerung des Bekanntheitsgrades investieren. Es braucht Leuchttürme, um gesehen zu werden. Und der Eigentümer unseres heutigen Weines, ist so ein Leuchtturm in der internationalen Weinwelt: Michel Rolland.
Michel Rolland
Michel Rolland hat in den 1990er Jahren viel bewirkt. Als Flying Winemaker wurde er in allen Gegenden dieser Welt, in der Weinbau sinnvoll und möglich war, engagiert, um Weingutsbesitzer in Sachen Weinanbau und Weinbereitung zu beraten. Mit seiner Philosophie brachte er eine Menge mehr Kellertechnik in die Weingüter dieser Welt, als bis dato vorhanden war und kreierte auf diesem Wege viele sehr erfolgreiche Weine. Die Konsumenten erfreuten sich an vielen modernen Weinen, die durch den perfekten Umgang mit der neuen Kellertechnik früher zugänglicher wurden, runder und „fruchtiger“ schmeckten. Weil es dem Konsumenten so gut gefiel, freuten sich natürlich auch die Produzenten und auch die Händler. Erfolg gibt recht. Aber wo Licht, da auch Schatten: Der Einfluss der modernen Kellertechnik und vor allem die „Verkopfung“ und „Konzeptionierung“ einer immer größer werdenden Anzahl an erfolgreichen Weinen, führte auch zu einer skurrilen Form der Uniformierung. Immer mehr Weine folgten diesem Rezept und immer mehr Weine gaben ihren identitären Ur- Geschmack auf. Mit zunehmendem Konsum dieser New Style- Weine und mit zunehmender Emanzipation der Konsumenten, nahm auch der Einfluss von Michel Rolland ab. Seine Spuren hat er hinterlassen. Im Grunde meinte er es ja gut.
Auf Chateau Fontenil, welches Michel Rolland im Jahre 1986 erwarb, hat er für unseren Geschmack das perfekte Maß an Modernität im Weinstil für sich gefunden. Vielleicht lag es an den über zehn Jahren der Modernisierung, Renovierung, Umbaumaßnahmen und Restaurationen auf dem Anwesen, die er zunächst auf Fontenil investieren musste. Zeit, die in ihm wohl eine neue Interpretation seiner Handschrift hat heranreifen lassen. Tatsächlich musste er auch einen Großteil der Weinberge neu anlegen. Auf neun Hektar stehen heute 90% Merlot und 10% Cabernet Sauvignon. Die wichtigsten Stilmittel seiner Art Wein zu machen, sind weiche Tannine, hohe Farbintensität, moderate Säure- und Tanninwerte, eine ordentliche Ladung dunkler, „süßer“ Frucht und eine untermalende Holznote durch das Barriquefass. Das alles gewinnt er seinen Trauben ab, die er im absolut perfekten, auf den Tag genau richtig geernteten Trauben ab. Unterm Strich eben genau das, was einen Wein ausmacht, der einem jungen, modernen Publikum besonders gut gefällt.
Fontenil am Gaumen
Einen großen Schluck Château Fontenil im Mund zu haben, ihn zu fühlen, zu schmecken, zu verstehen, wie er zugeschnitten ist, macht gute Gefühle. Gute Gefühle am Gaumen und vor allem im Bauch. Natürlich kann man ihm den Vorwurf machen ein allzu durchtrainierter, gutaussehender Jüngling mit „pomadigen Haaren“ zu sein. Aber verdammt noch mal, das hat auch seinen Reiz! Dieser Wein kennt die ganze Klaviatur der Verführung. Er kennt sie und er beherrscht sie. Und das auf eine unverschämt lässige Art, dass man nicht aus Fleisch und Blut sein muss, um diesem Wein nicht widerstehen zu können.
Auffällig dunkel und leuchtend in der Farbe. Tiefdunkle Eindrücke schwarzer Frucht und hochprozentiger Vollmilchschokolade füllen das Bukett. Schwarzer Tee, mediterrane Kräuter, Pfeffer und richtig viel sexy Holzwürze fügen sich zu einem unverschämt anziehenden Duftbild zusammen. Beim Gerbstoff ist es so, dass nicht ein Gramm zu wenig erkennbar ist, aber auch kein Gramm mehr benötigt wird. Die Säure hellt den Gaumen auf, neutralisiert den schweren Eindruck dieses Weines, der gar nicht schwer ist. Nicht schwer zu trinken und auch nicht schwer zu verstehen. In Sachen Harmonie setzt dieser Wein in seinem Preis- und Qualitätssegment und seiner Herkunft Maßstäbe, die nur sehr schwer zu überbieten sind. Wenn sie einen warmen, würzigen und vollmundigen Wein suchen, der sich fast schon schüchtern und mit guten Manieren zurückhält, dann sollten sie unbedingt eine Flasche des 2018er Château Fontenil öffnen. Für den Laien ein Traum von Wein, für den Kenner ein Ausrufezeichen in Sachen Harmonie.